Allgemeines

Bilder verpixeln – Ja oder Nein und Warum überhaupt?

Als Fotograf_in, der/die viel Demos und Aktionen fotografiert, steht mensch immer wieder vor der Entscheidung, einzelne Bilder zu verpixeln. In diesem Artikel soll kurz unsere Auffassung zum Thema wiedergegeben werden.

Der Einstieg ist erst mal etwas dröge, nämlich die rechtliche Situation. Entscheidend ist hier das Kunsturhebergesetz §22 / 23. Paragraph 22 regelt, dass Bilder nur mit Zustimmung der abgebildeten Personen veröffentlicht werden dürfen. Das würde natürlich fast jede Art journalistischer Fotografie unmöglich machen und genau deshalb definiert der Paragraph 23 Ausnahmen: (1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte;
2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen;
3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;
4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

(2) Die Befugnis erstreckt sich jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.

Für uns relevant sind vor allem 1.1 und 1.3. So sind Demonstrationen Ereignisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte und außerdem von 1.3 zusätzlich gedeckt. Absatz 1.1 trifft auch beispielsweise auf Polizist_innen bei ihrer Arbeit auf einer Demo zu, da sie dort als relevante Personen der Zeitgeschichte angesehen werden können. Gruppenbilder von Demonstrationsteilnehmer_innen fallen unter 1.3. Allerdings ist es wichtig, dass der Kontext der Demonstration gewahrt wird, ein Closeup-Portrait in dem kein Zusammenhang mit der Veranstaltung erkenntlich ist (aber nur dann), ist nicht zulässig. Fazit: Für die Veröffentlichung von Fotos von Demonstrationen ist es rechtlich nicht notwendig, sich eine Erlaubnis der abgebildeten Personen zu holen, solange der Kontext gewahrt bleibt. Jetzt kommen wir zu der moralischen Sache, die gerade Fotograf_innen betrifft, die sich selbst auch als Aktivist_innen mit anderer Aktionsform sehen.

Aus fotografischer Sicht ist verpixeln von Gesichtern totaler Mist. Starke Bilder leben von Emotionen und die äußern sich bei Menschen vor allem im Gesicht. Außerdem bieten weitläufige Gruppenaufnahmen aus der Ferne niemals genug Material für eine gute Fotoreportage. Über den kommerziellen Aspekt, dass sich verpixelte Bilder schlecht bis gar nicht verkaufen lassen, brauchen wir an dieser Stelle nicht schreiben.

Die Sicht des Aktivisten

Aus Sicht der Aktivist_innen ist das ganze natürlich etwas anderes. Auch wenn die meisten Demonstrant_innen ja gerade mit einer Demo eine Öffentlichkeit schaffen wollen und sich positive Berichterstattung wünschen, haben sie ein Interesse, nicht auf Fotos erkannt zu werden. Die Gründe dafür sind vielfältig: niemensch hat Bock nach einer Aktion auf einer Anti-Antifa Seite geoutet zu werden. Auch die Polizei scannt nachher öffentliche Medien um beispielsweise gegen mögliche „Straftäter_innen“ Material in der Hand zu haben. Und letztlich hat nicht jede_r eine_n Chef_in/ Lehrer_innen/ Kolleg_innen die kapieren, dass Aktionen Privatsache sind und deshalb in keinster Weise sich auf ein Beschäftigungsverhältnis etc. auswirken dürfen. Es geht also um den Schutz vor Repression von allen möglichen Seiten. Was bedeutet das nun konkret für unsere Arbeit? Wir von DISSENT.IMAGES haben uns entschieden grundsätzlich Teilnehmer_innen auf Demos aus dem Antifa-/Antira-Bereich zu verpixeln. Allerdings werden hier vielleicht auch mal nicht verpixelte Aufnahmen zu sehen sein, dass kann folgende Gründe haben: wir haben die abgebildete Person gefragt und ihr Einverständnis für eine Veröffentlichung bekommen, die abgebildete Person ist eh schon bis zu den Augen vermummt und deshalb nicht zu identifizieren (Erkennungsmerkmale wie Aufnäher etc. werden auch dann verpixelt), die Personen kleiden sich extra so um Blicke auf sich zu ziehen und fotografiert zu werden (z.B. Teile der Clowns-Army/ Sambagruppen) oder es handelt sich um eine „andere Art von Demo“. Unter „andere Art“ verstehen wir Demos, die nicht aus dem linksradikalen Spektrum kommen, wie beispielsweise eine Bratwurst-Revolutions Demo des DGB ohne Block oder beispielsweise Aktionen wie die Schüler_innen Demos beim Castor (z.B. dieses Foto eines Kollegen wäre verpixelt sinnlos: http://www.flickr.com/photos/rubenneugebauer/6401907215/in/set-72157628162945263 )auf denen es zu keinen „strafrechtlich relevanten“ Aktionen kommt.

Wir hoffen, mit diesem Artikel einige Unklarheiten auszuräumen und auch die Perspektive von uns Fotograf_innen auf Demos verständlich darstellen zu können. Natürlich haben wir unsere Fotos immer noch sicher aufbewahrt als Originale, wenn ihr also aus irgendwelchen Gründen für eure Gruppe ein unverpixeltes Bild braucht, schreibt uns unter dissentimages[ätt]riseupt.net an und wir schauen, ob sich da was regeln lässt. Abschließend sei noch gesagt, alle Angaben zu den Paragraphen sind ohne Gewähr, wir sind Fotografen und keine Anwälte, aber das Internet ist voll mit Texten und weiteren Informationen zum Thema Demofotografie.